Letzten Donnerstag fand an der WU Wien eine Feier statt: der Geburtstag der Lernplattform Learn@WU wurde gefeiert – 10 Jahre alt ist sie geworden. Die Einladung zu einem Vortrag habe ich gerne angenommen. Irgendwie find ich es sympathisch, den Geburtstag der Lernplattform zu feiern. Die meisten Unis, die ich kenne, haben zu ihrer Lernplattform eher ein ambivalentes Verhältnis. Von den Studierenden höre ich oft, dass sie sich mehr von “wie halt Facebook” wünschen. Hier zu meinen Folien zum Vortrag: was ist innovativ in der Hochschullehre?
Auf der Podiumsdiskussion ging es anschliessend auch um die Frage, ob “klassische Vorlesungen” im Alltag der Hochschullehre verschwinden werden. 84% der Zuhörer stimmten per clicker mit nein, sie werden nicht verschwinden. Auch äusserte sich jemand sehr kritisch gegenüber dem “Mantra” des konstruktivistischen Paradigmas. Nur im Einzel- oder Gruppenunterricht zu lernen, wäre schlicht eine Überforderung für die Studierenden….
Die Diskussion zeigte mir, dass es viele Missverständnisse gibt bgzl. “Ermöglichungsdidaktik” und dem konstruktivistischen Paradigma, wenn deren Bedeutung für die einzelnen Ebenen von Unterricht nicht differenziert wird. So wird behauptet, das konstruktivistische Paradigma sei untrennbar mit sozialem Lernen (Gruppenunterricht) verbunden, und das Entscheidende sei dabei das selbstregulierte Lernen in der Gruppe. Mit dieser Aussage wird der Konstruktivismus in falscher Interpretation nur der Mikroebene, den einzelnen Lehrsituationen zugeordnet. Tatsächlich betrifft er aber die Programmebene und die Rahmenbedingungen des Lernens, weil damit in erster Linie die Art der Wissensgewinnung (das Wissen wird durch die aktive, subjektive Auseinandersetzung mit einem Problem oder einem Objekt gewonnen), und nicht nur ein rein methodisches Vorgehen anspricht. Das war auch mein Plädoyer im Vortrag zum Schluss, verstärkt die Entwicklung von Bildungsprogrammen in den Fokus zu nehmen.
Kurzum: Vorlesungen bzw. instruktionale Komponenten können auch in einem konstruktivistisch geprägten Paradigma, das dem Leitbild, Lernen zu ermöglichen, enthalten sein – aber: sie haben eine ganz andere Funktion, sie sind Impulse, die der Lehrende setzt und die an eine für den Lernenden herausfordernde Problemstellung angebunden sind – und somit Lernen und die Konstruktion des Wissenserwerbs ermöglichen. Also nicht eine “entweder-oder-“, sondern eine “sowohl-als-auch-Strategie”, aber der Kontext und Zielsetzung sind komplett andere… Solche Diskussionen sind schwieriger zu führen als “wir brauchen Vorlesungen: ja oder nein”…
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[…] Sabine Seufert (swiss centre for innovations in learning, St. Gallen) hat in Wien den 10. Geburtstag der Lernplattform Learn@WU mitgefeiert (ja, ja, so etwas gibt es!) und zu diesem Anlass über Innovationen in der Hochschullehre präsentiert. Ihre Folien hat sie online gestellt. Hier unterscheidet sie zwischen Produkt-, Prozess- und Sozialen Innovationen und schließt mit fünf interessanten Thesen zur Überwindung von Innovationsbarrieren. Vor Ort ging es, so Sabine Seufert, u.a. noch um die Zukunft klassischer Vorlesungen und die Tragfähigkeit des konstruktivistischen Paradigmas. Schwere Kost für eine Geburtstagsfeier … Sabine Seufert, scil-Blog, 18. Oktober 2012 […]
DDraum says
Ein sehr guter Post, der alles ausreichend zusammen fasst. Ich habe mich damals auch durch alle Anfänger-Guides gelesen bevor ich dann nutzliche Information gefunden habe. Sowas ist äußerst hilfreich! Es ist vor allem schön zu wissen, dass alle mal klein angefangen habe. Das ist zwar eigentlich klar, aber wird gern vergessen.