Trotz voranschreitender Digitalisierung: Vielen Unternehmen fehlen nach wie vor Digitalisierungsstrategien für die Personalentwicklung und Konzepte zur Entwicklung digitaler Kompetenzen. Dies ist ein zentrales Ergebnis der Gemeinschaftsstudie 2019 von IWP-HSG / scil und der DGFP.
Digitaler Reifegrad
Den digitalen Reifegrad in Unternehmen schätzen die befragten Personalentwickler als eher gering ein. Laut 37 % der Teilnehmer liegt keine klare Digitalisierungsstrategie vor. 44 % haben keine klaren Vorstellungen dazu, welche Kompetenzen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung benötigt werden. Der digitale Reifegrad in der Personalentwicklung wird noch geringer eingeschätzt: 52 % der befragten Personalentwickler verfügen über keine klar formulierte Digitalisierungsstrategie für die Personalentwicklung. Aus Sicht von 57 % der Befragten fehlt ein klares Konzept zur Entwicklung digitaler Kompetenzen bei den Mitarbeitenden. Die Digitalisierung scheint insgesamt noch keine Chefsache zu sein. Aus Sicht von 41 % der Befragten hat die Digitalisierung in der Führungsetage der Personalentwicklung eher keine hohe Priorität.
Mehr Vorteile als Nachteile
Grundsätzlich sind die Einstellungen gegenüber der fortschreitenden Digitalisierung sehr positiv. 84 % der Befragten gehen davon aus, dass diese mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt. Angst vor Überforderung durch die zunehmende Digitalisierung haben nur 15 % der Befragten. Die Befürchtung, durch intelligente Maschinen überflüssig zu werden, ist noch geringer ausgeprägt – insgesamt bejahen nur 10 % diese Gefahr.
Wenig Veränderungen zum Vorjahr
Bei einem Vergleich mit den Ergebnissen des Vorjahrs zeigen sich im Hinblick auf den Aspekt ‘Digitale Reife im Unternehmen’ keine grundlegenden Veränderungen. Die digitale Transformation ist in allen Branchen und Sektoren mittlerweile angekommen, nicht nur in der IT- & Telekommunikationsbranche. Der digitale Reifegrad ist im Bereich HRM gleichgeblieben bzw. zeigt eine ganz leichte Tendenz nach unten. Die Digitalisierung besitzt noch immer nicht überall oberste Priorität bei den Führungspersonen in der Personalentwicklung und auch eine klar formulierte Digitalisierungsstrategie existiert weiterhin eher weniger.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein deutlicher Zusammenhang zum Reifegrad im Unternehmen besteht. Hat die gesamte Organisation noch kein ausgeprägtes Verständnis zum digitalen Wandel, dann stehen auch die Personalentwickler regelmäßig noch ganz am Anfang ihrer Überlegungen. Entsprechend folgt dem geringen digitalen Reifegrad auf Unternehmensebene eine ebenso unterdurchschnittliche Beurteilung des digitalen Reifegrades in der Personalentwicklung.
Step-In, Step-Up sowie Step-Up haben gegenüber Step-Aside aufgeholt.
Die Studie erfragte wiederum die Bedeutung verschiedener Augmentationsstrategien in der Personalentwicklung.
Die Werte bei den drei Strategien «Step Up» (Managementperspektive; den Einsatz von Smart Machines analysieren und beim Einsatz solcher Systeme mitentscheiden), «Step In» (KI-basierte Systeme weiterentwickeln und trainieren) sowie «Step Forward» sind deutlich gestiegen. Die Strategie «Step-Forward» (in die Entwicklung von Smart Machines einsteigen und derzeit noch unbekannte Einsatzfelder für die Personalentwicklung erschliessen), sehen fast 60 % als ihre Aufgabe an. Damit wird deutlich, dass fast zwei Drittel der Teilnehmenden einen hohen Innovationsanspruch an ihrer Tätigkeit stellen. Die Nischenstrategie «Step Narrow» (Nischen suchen, in denen Smart Machines auf absehbare Zeit nicht zum Einsatz kommen) lag im letzten Jahr noch auf Platz 4 und ist nun deutlich abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die Strategie «Step Aside» (sich mit beratungsintensiven Leistungen und den damit verbundenen sozialen Kompetenzen von Smart Machines abheben) ist nach wie vor die favorisierte Strategie von Personalentwicklern.
Handlungsempfehlungen
Aus den Ergebnissen der zweiten Durchführung lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für Bildungsverantwortliche ableiten:
- Digitalisierungsstrategie formulieren: Neue Impulse für neue Wege generieren und das eigene Rollenverständnis klären.
- Digitale Kompetenzen «greifbar» machen: Sinnstiftende Orientierungen und die Frage nach dem «WARUM?» als Motor für Veränderung nutzen.
- Kompetenzen im eigenen PE-Bereich aufbauen: Mit kleinen Veränderungen starten.
- Beidhändig agieren: Neben dem Kerngeschäft mit Augmentationsstrategien die Entwicklungsrichtung ändern.
- Partnerschaften und Netzwerke ausbauen: In einem digitalen Ökosystem interagieren.
- Verständnis für Technik, IT und Software entwickeln, insbesondere durch Ausprobieren.
- Die hohen Kompetenzen im Change-Management nutzen, um die digitale Transformation der eigenen Profession und des Unternehmens voranzutreiben.
Über die Studie
Diese Studie wurde erstmalig im Jahre 2018 durchgeführt. Die Entwicklung der Studie beruhte auf einem dreistufigen Vorgehen: Experteninterviews, Pretest und standardisierte Onlineumfrage. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse beruhen auf der zweiten Durchführung der Studie im Sommer 2019. Im Zeitraum von Juni bis August 2019 nahmen insgesamt 160 Personen an der Umfrage teil und füllten den Fragebogen aus. Die Stichprobe umfasst im Kern Personalentwickler, von denen sich 44 % in einer leitenden Funktion befinden. 67% der Befragten sind weiblich, die Mehrheit ist älter als 36 Jahre und 66 % haben einen akademischen Abschluss (Master) erworben.
Seufert, Sabine; Guggemos, Josef; Meier, Christoph; Helfritz, Kai H. (2019): Digitale Kompetenzen von Personalentwicklern. Digitale Reife und Augmentationsstrategien in der Personalentwicklung. Universität St.Gallen (IWP-dbB, scil) / Deutsche Gesellschaft für Personalentwicklung (DGFP). St.Gallen.
Nachtrag 06.11.2019:
Hier ein Post von Rainer Straub (Haufe) zur Studie und darauf folgende Diskussionsbeiträge…
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