Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Sie kommen in die Notaufnahme mit einer völlig unklaren Krankheit und Ihnen geht es schlecht. Der Chefarzt kommt herein und sagt, er habe 30 Jahre Erfahrung, er werde schon herausfinden, was mit Ihnen nicht stimmt. Und dann sitzt da noch der junge Assistenzarzt, erstes Ausbildungsjahr, der sagt, er habe hier einen Computer mit dem Wissen von 600 Chefarztjahren. Wem würden Sie sich anvertrauen?
Das ist das “grosse” Neue an der Digitalisierungswelle mit dem Durchbruch der Künstlichen Intelligenz – Maschinen können eine nahezu unbegrenzte Zahl an Patientenfällen im Gedächtnis abrufen, diese Technik, Deep Learning genannt, sind neuartige Expertensysteme
Digitalisierung von Wissensarbeit – wie in diesem Beispiel – ist stärker durch Augmentation anstatt Substitution (steht in der aktuellen Diskussion eher im Vordergrund: Roboter nehmen Jobs weg – Rationalisierungseffekte, die es schon immer gab). Wirklich neu ist die Frage: wie ergänzen sich die Kompetenzen von Mensch und Maschine – Interaktionen zwischen Mensch und Maschine? Medienkompetenzen 4.0
Im Eingangsbeispiel:
Heute hören sich die Ärzte Beschreibungen der Symptome ihrer Patienten an und vergleichen sie mit bekannten Krankheiten. Das könnten Algorithmen übernehmen. Die Ärzte würden dann nicht selbst diagnostizieren, sondern vielmehr ihre automatisierten Helfer bei der Diagnose überwachen und ihre eigene Erfahrung und Intuition einbringen. Die Handarbeit der Ärzte bleibt aber wichtig.
Ist es nur die Handarbeit? Oder brauchen Ärzte künftig andere komplementäre Kompetenzen? Führungskräfte müssen lernen, in welchen Fällen Algorithmen ihnen helfen können, Denkverzerrungen aufzudecken und wann Intuition in Form von kondensierter Erfahrung ins Spiel kommen muss. Ein mit KI ausgestatteter kognitiver Assistent kann auf der Basis riesiger Datenmengen statistisch fundierte Vorschläge machen. Nichtsdestotrotz sind diese Resultate eingeschränkt, etwa durch Datenauswahl, Systemmodellierung und Training. Nur der Mensch kann eine holistische Situationseinschätzung vornehmen. Eine Führungskraft muss um die unterschiedlichen Kompetenzen und Begrenzungen wissen und Entscheidungsprozesse adäquat gestalten können. Umgekehrt kann der Mensch durch das Expertensysteme neue Erkenntnisse gewinnen und permanent dazu lernen.
– Wie genau wird die kooperative Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine künftig aussehen, ist dabei eine zentrale Frage.
Um ein Beispiel aus einem andere Kontext zu bringen: Schachmeister werden immer jünger (Jüngste ist 12 Jahre alt). Man hat festgestellt, dass die jungen Schachspieler andere Strategien entwickelt haben als die älteren -> sie spielen und trainieren nicht gegen den Computer, sondern gemeinsam mit ihm. Durch diese kollaborative Zusammenarbeit werden sie auch selbst besser. Sehen wir hier bereits die Zukunft?
“Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt” (Amerikanischer Science-Fiction-Autor William Gibson)
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