Verhaltenskompetenzen (Softskills) können in digitalen Lernumgebungen nicht wirksam entwickelt werden. Diese These hält sich hartnäckig. Eine aktuelle Meta-Studie und ein Praxisbericht halten dagegen. Fazit? Es braucht ein zielorientiertes Zusammenspiel von Design, Inhalten und Technologie.
Ergebnisse einer Meta-Studie
“Softskills”, also Kompetenzen in Bereichen wie Kommunikation, Kooperation oder kreatives Problemlösen, wird eine (zunehmend) grosse Bedeutung für die Arbeitswelt zugeschrieben. Die effektive und effiziente Entwicklung von “Softskills” gilt als eine der grossen Herausforderungen in der Personalentwicklung. Gleichzeitig hält sich die Vorstellung hartnäckig, dass “Softskills” wirksam nur in der direkten Interaktion, nicht aber in digitalen Lernumgebungen (E-Learning) entwickelt werden können.
Eine aktuelle Meta-Studie kommt zu dem Schluss, dass eine wirksame Entwicklung von “Softskills” in digitalen Lernumgebungen vor allem dann möglich ist, wenn geeignete didaktische Modelle umgesetzt werden. Als Beispiele werden Serious Games, das Lernen an Fällen oder auch blended bzw. hybride Lernumgebungen angeführt (Coelho / Martins 2022, S. 81).
The results of this study show that several types of methods can be used to develop technical and soft skills online in a wide range of contexts.
Coelho / Martins 2022, S. 83
(…)
Despite traditionally soft skills requiring a face-to-face context, tools and methodologies are being developed to bridge this gap and create effective solutions. This will provide users the opportunity to develop these competencies remotely and in a more flexible manner (…).
Praxisbericht: Entwicklung von Softskills mit KI- und VR-Technologien
Ein Beispiel dafür, wie Kommunikations- und Sozialkompetenzen in einem Online-Setting entwickelt werden können, findet sich im aktuellen Heft der Zeitschrift International Journal of Advanced Corporate Training.
In diesem Praxisbericht schildern Malatesta / Ciani den Ansatz zur Entwicklung von Kommunikations- und Sozialkompetenzen, wie er vom Anbieter SkillsGym umgesetzt wird. Dabei interagieren die Teilnehmenden mit einem virtuellen Gegenüber (durch KI animierte Videoaufzeichnungen von Schauspieler:innen) und erhalten im Anschluss verschiedene Arten von Feedback dazu.
Zentrale Elemente des Ansatzes sind zum einen die systematische Gestaltung der Trainings-Session in der digitalen Lernumgebung (session flow) und zum anderen die systematische Gestaltung eines Blended Learning Designs (training flow). Abbildung 1 illustriert die beiden Gestaltungsebenen.
Die Trainings-Sessions in der digitalen Lernumgebung basieren auf der Abfolge von Handeln – Erleben – Reflektieren – Wiederholen / Trainieren (vgl. Abb. 1, oben).
Das übergeordnete Blended Learning Design (Abb. 1, unten) beinhaltet
- ein Kick-off (ca. 90 Minuten) zur Einführung in den Gesamtprozess und die digitale Lernumgebung,
- das wiederholte Trainieren in dieser digitalen Umgebung,
- nach einem Monat eine Follow-up Session (ca. 45 Minuten) für den Austausch zu den bisherigen Lern- / Trainingserfahrungen (inkl. den zurückgespiegelten Ergebnis-Werten),
- wiederum mehrwöchiges Trainieren in der digitalen Umgebung,
- Austausch über einen moderierten, digitalen Kanal und
- ein Webmeeting (ca. 45 Minuten) zum Abschluss mit Fokus auf Teilen und Konsolidieren der Lernerfahrungen der Teilnehmenden.

In dem Praxisbericht wird die Umsetzung im Rahmen einer Trainingsintiative in einem Tech-Unternehmen beleuchtet. Dort haben insgesamt knapp 170 Personen über neun Wochen hinweg mit den Rollenspielen trainiert und dabei im Mittel 4.25 Stunden in der digitalen Lernumgebung zugebracht. Trainiert wurden dabei acht verschiedene Situationen, unter anderem:
- Feedback geben
- einen Konflikt bearbeiten
- eine Aufgabe delegieren
- eine Veränderung vorantreiben
- Diversität wertschätzen
- im Team arbeiten.
Abbildung 2 zeigt die Verteilung der einzelnen Trainings-Sessions über diesen Zeitraum (oben) und die Ausprägung einer zentralen Erfolgskenngrösse (unten). Diese als “Self-Awareness” bezeichnete Kenngrösse ist ein Mass für die Übereinstimmung zwischen Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden einerseits sowie deren beobachtbaren Verhaltensweisen andererseits.

Bildquelle: Malatesta / Ciani 2022, S. 48, 50.
Design is King?
Die Behauptung, dass Verhaltenskompetenzen in digitalen Lernumgebungen nicht sinnvoll bzw. nicht wirksam entwickelt werden können, kann also so nicht stehen bleiben. Das zeigen auch zahlreiche andere Studien, beispielsweise zu immersiven Lernumgebungen auf der Grundlage von Simulationen und AR / MR / VR. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist dabei das didaktische Design, das belegen Studien immer wieder. Den Positionen “Content is king” einerseits und “Technology is king” andererseits, die in der Diskussion um digitales Lernen gerne eingenommen werden, könnte man damit ein “Design is king” entgegenstellen. Aber das wäre eine weitere plakative und letztlich falsche Vereinfachung. Was es braucht ist ein zielorientiertes Zusammenspiel von Design, Content und Technology.
Verweise
Coelho, M. J., & Martins, H. (2022). The future of soft skills development: A systematic review of the literature of the digital training practices of soft skills. Journal of E-Learning and Knowledge Society, 18(2), 78–85.
Malatesta, M., & Ciani, E. (2022). SkillGym AI digital role play to support leadership soft skills development through practice: A case study. International Journal of Advanced Corporate Learning (IJAC), 15(2), 41–56.
Wir vertiefen die Potenziale (und auch die Herausforderungen) verhaltensorientierten Trainings in digitalen Lernumgebungen im Rahmen unseres Moduls “Immersive Lernumgebungen”. Die nächste Durchführung steht für Februar 2023 an. Mehr dazu hier…
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