In einem früheren Blogbeitrag hat Sabine Seufert über unser Forschungsprojekt zum Einsatz von Social Video Learning in der Lehrerbildung berichtet. Dieses haben wir in Kooperation mit Frank Vohle (Ghostthinker) und der Plattform “EduBreak Campus” durchgeführt – mit ihm hatte ich heute morgen ein sehr inspirierendes Gespräch. Das hat mich (wieder einmal mehr) veranlasst, über die Einsatzmöglichkeiten von Videos in Bildungskontexten nachzudenken – vor allem in Verbindung mit “Social Learning”. Einige Gedanken möchte ich hier teilen.
Das Video-Format birgt spezifische Vorteile: Im Gegensatz zu Bildern reduzieren Videos nicht auf einzelne Aspekte, sondern bilden den Detailreichtum in Situationen genau ab und machen diese beobachtbar – wie verbales Verhalten, Mimik, Gestik, Reaktionen, die detailgetreue Abbildung von Vorgängen, Handlungen sowie Dynamiken in Situationen (nicht nur das Ergebnis).
Was macht dabei “social” aus? Das Potenzial besteht gerade darin, Videos mit einer Gruppe von Lernenden oder auch Personengruppen aus dem Umfeld der Lernenden (wie Kollegen, Vorgesetzte, Projektteams) zu teilen und diese Personen in Lern- / Entwicklungsprozesse einzubeziehen: gemeinsam Situationen / Ergebnisse beobachten und diskutieren, weitere Perspektiven erhalten und einbringen, Ideen oder Feedback (weiter)geben und aufnehmen, etc. Die daraus generierten Ideen können dann zur Weiterentwicklung genutzt werden.
Aus dem Gespräch mit Frank Vohle sind mir zudem die treffenden Worte hängen geblieben: “Das Handy als Instrument des Beobachtens (…)”, das uns im Alltag ständig begleitet und ganz einfach gezückt und eingesetzt werden kann: Situationen erkennen, aufzeichnen, teilen und das Beobachtete mit anderen diskutieren (“social”), um es weiterzuentwickeln.
Mit dem Smartphone als ständiger Begleiter im Alltag ist das (spontane) Produzieren von authentischen “hands on” Kurzvideos in vielen denkbaren Situationen also relativ einfach und setzt nicht unbedingt eine professionelle technische Ausstattung oder entsprechende Kompetenzen voraus.
Videos im Rahmen von Entwicklungsmassnahmen
Systematische Integration ins Lerndesign
Beispiel Blended Learning Design: In unserem Forschungsprojekt haben wir die Plattform EduBreak in einem Blended Learning Design genutzt: Im Präsenzkurs haben wir Videos produziert – Studierende haben 20minütige Lehrübungen durchgeführt, während die Kommilitonen/innen die Lernenden simuliert haben. Diese Übungen wurden als Video festgehalten und den Studierenden auf der Plattform zur Verfügung gestellt. Anschliessend hatten sie den Auftrag, die Videos in der Zeit “zwischen” den Präsenzkursen nochmals in Ruhe anzuschauen, gelungene oder kritische Videosituationen situationsgenau zu markieren, zu kommentieren und diese in der Gruppe zu diskutieren.
Der Kursleiter hat dann die Möglichkeit, vor dem nächsten Präsenzkurs diskussionswürdige Situationen zu identifizieren, diese als Ausgangspunkt herzunehmen und damit die Lernphasen inhaltlich zu verbinden.
Beispiel Begleitung von Lernprozessen: Ein Entwicklungsportfolio, welches den gesamten Lernprozess begleitet und v.a. auf die individuelle Reflexion abzielt, könnte durch die Nutzung von Videos systematisch angereichert werden. Hier werden von den Lernenden u.a. “Artefakte” gesammelt, die den Lernprozess dokumentieren. Diese können grundsätzlich verschiedene Formate annehmen – Texte, Bilder, Videos (bspw. Beschreibungen bestimmter Situationen, die Abbildungen einzelner Arbeitsergebnisse).
So könnten zum einen kurze Reflexionsvideos der Lernenden zu definierten Zeitpunkten im Lernprozess als “Artefakt” im Portfolio einbezogen werden (z.B. nach dem Besuch von 3 Modulen). Zum anderen könnten Lernende beliebig und selbstgesteuert kurze Reflexionsvideos direkt im Alltag aufzeichnen – z.B. nachdem sie eine “merk”-würdige Situation erlebt haben, die sie als aussagekräftig für ihre Entwicklung einstufen und diese ganz einfach als Handy-Video festhalten.
Sicherlich kann bei individuellen videobasierten Reflexionen der Aspekt “social” diskutiert werden und – je nach Ausgestaltung und Zielsetzung – unterliegt dies gewissen Einschränkungen. Denkbar wäre hier weniger, die Videos mit einer kleinen Gruppe an Mitlernenden zu teilen und zu diskutieren, sondern eher geschütztere Formate zu wählen. Die Diskussion könnte dagegen mit einem vertrauten Peer und/oder mit einem zuständigen Lernbegleiter erfolgen.
Punktuelle Ansätze
Während die oben aufgeführten Punkte eher ganzheitlich mit dem gesamten Lerndesign einer Entwicklungsmassnahme zu denken sind, bieten Seminare / Kurse / Trainings selbstverständlich vielzählige punktuelle Einsatzmöglichkeiten für Kurzvideos.
So hat Christoph Meier in seinem Beitrag “Kurze Animationen als Lernressourcen” beschrieben, wie mit einigen Tools relativ einfach und kostengünstig Animationsvideos erstellt werden können. Diese können z.B. als “Erklärvideos” im Seminarkontext eingesetzt werden – in der Vorbereitungsphase zur Vermittlung grundlegender Inhalte, zur Einstimmung auf und Information zu einem Präsenzseminar, im Präsenzkurs, als Learning Nugget für on Demand Lernen, usw. Diese Videos könnten ebenfalls mit Videokommentaren durch die Lernenden versehen werden: Offene Fragen stellen, eigene Erfahrungen teilen. Auch Ristl (2015) beschreibt in seinem Artikel “Filmfrische Auffrischung” Möglichkeiten zur Transfersicherung mit einfach erstellten Videos.
Bei den eben beschriebenen Einsatzszenarien werden die Videos durch die/den Lehrende(n) erstellt. Dagegen könnten auch die Lernenden selbst Videos produzieren, die sie mit der Gruppe teilen und wieder den Aspekt “social” nutzen können:
- Als Experte selbst Erklärvideos erstellen und teilen,
- Seminarsituationen aufzeichnen und basierend auf gezielten Fragestellungen diskutieren: Rollenspiele, Übungssituationen, Entwicklung einer Lösung in einer Gruppe (evtl. mit Ergebnis auf einem Flipchart), …
- Arbeitsergebnisse als Video aufzeichnen und teilen: Präsentationen aufzeichnen, Ergebnisse abfilmen
- Reflexionsvideo im Nachgang zu einem Seminar produzieren (Was gelingt mir umzusetzen? Welche Herausforderungen bestehen? Was sind meine Diskussionspunkte?)
Einsatzszenarien über Entwicklungsmassnahmen hinaus
Die Idee dahinter kann auf Arbeitsprozesse in Organisationen übertragen werden: Das schnelle und “hands on” Aufzeichnen von Videos durch Einzelpersonen oder Teams – z.B. ein entwickelter Entwurf / Vorschlag oder eine Präsentation – kann mit weiteren Kollegen geteilt werden. Diese können dann ihr Feedback einbringen, die Ideen virtuell diskutiert und zur Weiterentwicklung genutzt werden.
Im scil Team haben wir etwas ähnliches auch ausprobiert: Im Rahmen von “Friday Reflections” hat jede Woche ein Team-Mitglied wechselnd seine Arbeitswoche reflektiert und den Stand, die Erfahrungen und woran gerade gearbeitet wird, geteilt. Das Format war hier offen und manchmal sind ganz authentische Videos auf dem Weg nach Hause entstanden.
Die aufgeführten Einsatzpotenziale von Kurzvideos un Verbindung mit “social” sind hier lange nicht abschliessend, sondern können nur einige Ansatzpunkte liefern. Insgesamt könnte auf diese Weise auch ein Beitrag zum erfolgreichen Wissensmanagement in Organisationen geleistet werden – was eine lernförderliche Organisationskultur allerdings voraussetzt.
Weitere Referenzen:
Ristl, K. (2015): Filmfrische Auffrischung. Transfersicherung mit Videos. Training aktuell, 26(7), S. 36-38.
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