Die Zusammenarbeit mit “smarten Maschinen” wird zum neuen Normal – auch für Bildungsverantwortliche. Beim Fortbildungstag Lehre der School of Engineering (ZHAW) habe ich verschiedene Nutzungsszenarien aufgezeigt. Grosses Potenzial sehe ich im Hinblick auf aktivierende, handlungsorientierte Lernumgebungen (Rollenspiele & Simulationen).
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Im Rahmen des Fortbildungstags Lehre 2024 “KI und Hochschulbildung: Potenziale und Zukunftsperspektiven” der School of Engineering an der ZHAW war ich letzte Woche eingeladen, eine orientierende Einführung zu geben.
Unsere Arbeitswelt verändert sich
Startpunkt war für mich die Feststellung, dass sich unsere Arbeitswelt verändert. Aktuell erleben wir einen Veränderungsschub durch neue Technologien, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz. In diesem Zusammenhang ist verschiedentlich von “Industrie 5.0” die Rede. In Abgrenzung zu “Industrie 4.0” (Stichwort Cyber-physische Systeme) steht hier das kollaborative Zusammenarbeiten mit smarten Maschinen wie ChatGPT&Co im Vordergrund.
Zusammenarbeit mit “smarten Maschinen” wird zum neuen Normal
Ein zweiter wichtiger Punkt meines Impulses war, dass das Arbeiten mit diesen smarten Assistenzsystemen zum “neuen Normal” wird. Verschiedene Umfragen zeigen eine stark zunehmende Nutzung von ChatGPT&Co – die wir auf verschiedene Weise nutzen können:
- via Web-Browser am PC;
- via mobile App am Smartphone;
- als eingebettete Assistenten in Office-Applikationen (z.B. MS 365 Copilot);
- als eingebettete Assistenten in verschiedensten (Business-)Plattformen – beispielsweise in Plattformen für die Entwicklung von Lernressourcen (Web-Based Trainings, Aninmationen oder Videos).
Worauf bereiten wir Studierende und Beschäftigte vor? Wofür befähigen wir sie?
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellt sich für Bildungsverantwortliche die Frage, worauf sie Menschen (Schülerinnen und Schüler, Studierende, Berufslernende, Beschäftigte) vorbereiten sollen. Welche Kompetenzen braucht es in einer Arbeitswelt, in der uns mehr oder weniger überall “smarte Maschinen” zur Seite stehen?
“Versierte Koaktivität mit LLM ist eine wichtige Zukunftskompetenz” – so lautet ein Fazit der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz in einem Impulspapier von Anfang 2024. Ethan Mollick (Wharton Business School) spricht diesbezüglich von Co-Intelligence. Wir bei IBB-HSG / SCIL sprechen von “hybrider Intelligenz“.
Übrigens: Der Frage, welche Kompetenzen es künftig braucht, werden wir im Rahmen unseres diesjährigen SCIL Trend- & Community Day im September weiter nachgehen.
Herausforderungen und Chancen für Bildungsverantwortliche
Mit diesen Entwicklungen verbinden sich sowohl Herausforderungen als auch Chancen für Bildungsverantwortliche:
- Herausforderungen, weil neue bzw. veränderte Kompetenzen entwickelt werden müssen. Und auch weil etablierte Entwicklungsformate (Fokus Instruktion) bzw. Prüfungsformate (Fokus schriftliche Ausarbeitung) hinterfragt bzw. angepasst werden müssen.
- Chancen, weil sich mit den neuen Technologien und Werkzeugen auch neue Möglichkeiten für Bildungsverantwortliche eröffnen.
In meinem Beitrag für den Fortbildungstag Lehre habe das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Werkzeugen wie ChatGPT&Co für Bildungsverantwortliche aufgezeigt und schlaglichtartig beleuchtet. Dabei habe ich drei grosse Bereiche von Nutzenpotenzialen aufgezeigt:
- Vereinfachung / Beschleunigung,
- Qualitätsverbesserung,
- Veränderung von Formaten und Abläufen.
Im Bereich “Qualitätsverbesserung” habe ich insbesondere auf die Möglichkeiten für die Realisierung von aktivierenden und handlungsorientierten Lernumgebungen hingewiesen. Dazu gleich mehr.
Eine Herausforderung, die wir nur ganz kurz gestreift haben, betrifft die Frage der Überprüfung bzw. Qualitätssicherung der Ausgaben von smarten Assistenzsystemen wie ChatGPT&Co. Und eine Facette, die wir aufgrund der intensiven Diskussion um die Implikationen für Prüfungen und Prüfungsformate gar nicht mehr betrachten konnten, möchte ich hier nachreichen: neue Möglichkeiten der Umsetzung von Rollenspielen und Simulationen mit ChatGPT&Co.
Einfacheres Entwickeln von Simulationen mit ChatGPT&Co
Hierzu hat die Forschungsgruppe um Ethan Mollick vor kürzlich ein Forschungspapier veröffentlicht, das neue Perspektiven aufzeigt (Mollick et al. 2024). Ethan Mollick hat auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen als Hochschulllehrer in der Ausbildung im Fach “Entrepreneurship” bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, wie aufwändig, arbeitsintensiv und kostenintensiv das Erstellen von Simulationen ist, mit denen sich Studierende auf herausfordernde Situationen (z.B. Pitching einer Gründungsidee vor Investoren) vorbereiten können.
Im aktuellen Forschungspapier zeigen Mollick und sein Team auf, wie sie über eine Kombination verschiedener, mit ChatGPT erstellter Agenten personalisierbare Simulationen möglich machen können. Perspektivisch, so die Autor:innen, lassen sich über diesen Weg mit sehr viel weniger Aufwand als bisher wirksame Simulationen zu beliebigen Themen entwickeln und im Studium nutzen.
Die Umsetzung von aktivierenden und handlungsorientierten Lernumgebungen in Form von Rollenspielen uns Simulationen auf der Basis von ChatGPT&Co bzw. von Agenten ist aus meiner Sicht ein Bereich, wo sich grosse Potenziale für Bildungsverantwortliche eröffnen. Die Autorengruppe um Ethan Mollick formuliert in ihrem Forschungsbericht diesbezüglich folgendes Fazit:
While acknowledging the limitations and need for rigorous testing, we propose that generative AI can significantly lower the barriers to creating effective, engaging simulations, opening up new possibilities for experiential learning at scale.
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Mollick, E., Mollick, L., Bach, N., Ciccarelli, L. J., Przystanski, B., & Ravipinto, D. (2024). AI Agents and education: Simulated practice at scale. SSRN Electronic Journal.
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