Der aktuelle Bericht “Bildung in Deutschland 2020” behandelt in einem neuen Schwerpunktkapitel das Thema “Bildung in einer digitalisierten Welt”.
Der Bericht der Autorengruppe unter Federführung von DIPF / Leibnitz-Institut für Bildungsforschung ist umfangreich (ca. 320 Seiten) und beinhaltet neben Grundinformationen zur Bildung (Einrichtungen, Personal, Ausgaben, etc.) separate Kapitel u.a. zu allgemeinbildenden Schulen, Berufsbildung, Hochschulen und Erwachsenenbildung.
Der Bildungsbericht 2020 enthält ein neues, umfangreiches Kapitel (ca. 70 Seiten) zum Thema “Bildung in der digitalen Welt”. Der konzeptionelle Rahmen für dieses Kapitel ist in Abb. 1 repräsentiert. Herausgestellt werden dabei zum einen die veränderten Gelegenheitsstrukturen für Bildung (u.a. durch digitale Infrastrukturen) sowie veränderte Lernanforderungen bzw. Anforderungsprofile (links im Bild). Betont werden auch Veränderungen bei der Mediennutzung und den Lerngewohnheiten in den verschiedensten Kontexten (Familie, Bildungseinrichtungen, Arbeitsplatz – Mitte), sowie die Bedeutung von Einstellungen und Vorwissen für Lernprozesse und Lernergebnisse (rechts):
Die inhaltlichen Abschnitte im Kapitel spiegeln diese Struktur:
Auf der Grundlage von empirischen Befunden und Analysen zu Gelegenheitsstrukturen und zur Nutzung digitaler Medien sowie zu Kompetenzen der Bildungsteilnehmenden wie auch des pädagogischen Personals (H2 bis H5) werden (…) aktuelle Entwicklungen, Bedarfe und Perspektiven aufgezeigt. Abschließend werden derzeit absehbare Potenziale sowie Grenzen und Risiken der Digitalisierung im Bildungswesen (H6) thematisiert.
Bildungsbericht Deutschland 2020, S. 233
Im einführenden Abschnitt zum Kapitel werden von der Autorengruppe verschiedene Funktionen von digitalen Medien und Werkzeugen unterschieden (Abb. 2):
- Digitale Medien und Technologien als Organisationsmittel für Bildungsprozesse;
- Digitale Medien und Technologien als Lehr-Lern-Mittel;
- Digitale Medien und Technologien als Lehr-Lern-Werkzeuge für das Handeln im Vollzug von Bildungsprozessen; und
- Digitale Medien und Technologien als Lehr-Lern-Gegenstand von Bildung (operatives Wissen, technologisches Wissen, Reflexionswissen).
Diese Unterscheidungen dienen dann als Ausgangspunkte für die nachfolgenden Abschnitte, beispielsweise zur Verfügbarkeit von digitalen Infrastrukturen, zur Mediennutzung, zu den Anforderungen an pädagogisches Personal oder zu den Wirkungen digital unterstützter Bildungsprozesse. In diese Abschnitte eingestreut finden sich sich zahlreiche Visualisierungen zu empirischen Forschungsergebnissen.
So hat beispielsweise der Bildungsforscher Klaus Zierer (Universität Augsburg) im Rahmen eines Gutachtens für die Autorengruppe Bildungsbericht Studienergebnisse zur Effektstärke des Einsatzes von digitalen Medien beigesteuert. Zierer hat dafür 243 Metaanalysen zur Lernleistung von Kindern und Jugendlichen analysiert und den Zusammenhang mit dem Einsatz von digitalen Medien untersucht:
Dabei zeigt sich, dass ein grosser Teil der untersuchten Medien einen eher geringen Einfluss auf den Lernerfolg hat (vgl. Abbildung oben, linke Seite). Nur wenige digitale Medien wie etwa interaktive Lernvideos oder intelligente tutorielle Systeme sind demnach wirksamer als eine rein analoge Unterrichtsgestaltung. Zudem zeigt sich, dass die Wirkungen digitaler Lernmedien sowohl über verschiedene Kompetenzdomänen (z.B. Lesen und Naturwissenschaften vs. Fremdsprachen) deutlich unterschiedlich sind (vgl. Abbildung oben, linke Seite).
Die Autorengruppe schliesst das Kapitel zur Bildung in einer digitalisierten Welt mit einer Verdichtung der empirisch gewonnenen Erkenntnisse zu thesenhafte Aussagen ab. Für mich besonders interessant sind hier die folgenden Aussagen:
- Die digitalen Lernwelten ausser- und innerhalb von Bildungseinrichtungen unterscheiden sich deutlich
Während digitales Lernen im ausserinstitutionellen Kontext mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit wird, werden digitale Medien in Bildungsinstitutionen zum Teil nur zögerlich und zum Teil nur zur Unterstützung traditioneller Lehr-Lernformen eingesetzt. - Es fehlt an Konzepten zur Nutzung digitaler Technologien über die gesamte Bildungsbiografie
- Es braucht mehr systematische Integration von digitalen Technologien in die Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals
Allerdings gibt es hier grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Bildungskontexten:
In der beruflichen Lehramtsausbildung sind digitale Technologien im fachwissenschaftlichen Studium der beruflichen Fachrichtungen weitgehend fest verankert, während in der fachdidaktischen Ausbildung
Bildungsbericht Deutschland 2020, S. 301
erhebliche Bandbreiten anzutreffen sind. Das Lehrpersonal in der Weiterbildung wiederum ist nahezu vollständig auf selbstorganisiertes und informelles Lernen angewiesen.
Der Bericht “Bildung in Deutschland” erscheint seit 2006 alle alle zwei Jahre und es gibt eine Übersicht über die früheren Berichte. Auch für die Schweiz gibt es einen nationalen Bildungsbericht. Dieser wird alle vier Jahre erstellt – der aktuelle Bericht ist der von 2018. Der Bericht ist ähnlich strukturiert wie der Bildungsbericht für Deutschland, wobei die verschiedenen Bildungsstufen und Bildungsinstitutionen feiner aufgefächert werden. Ein Kapitel zum Thema digitale Transformation von Bildung findet sich in der Version von 2018 allerdings noch nicht.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2020): Bildung in Deutschland 2020. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt. Bielefeld: wbv Publikationen.
Hinweis zum Bildungsbericht Deutschland 2020 via Jochen Robes / Weiterbildungsblog.de
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