Im Zuge der Digitalisierung sind Bildungsdienstleister gefordert, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen bzw. weiterzuentwickeln. Dies gilt für die adressierten Zielgruppen ebenso wie für die angebotenen Leistungen, die Prozesse der Leistungserstellung und die Verrechnung von Leistungen.
Educationsuisse, der Dachverband der Schweizerschulen im Ausland, hatte mich angefragt, ob ich einen Workshop zu diesem Themenfeld für die Mitgliedsschulen durchführen könnte. Dies habe ich gerne gemacht. Diese Schulen operieren in verschiedenen regionalen und kulturellen Kontexten (von Santiago de Chile über Barcelona bis Singapur und Peking) und unter unterschiedlichen Marktbedingungen (z.B. Wettbewerb mit anderen internationalen Schulen am Standort). Sie sind aber gleichermassen gefordert, Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden – von der Rekrutierung von Schülern (und damit verbunden ihrer Finanzierung) bis hin zur Entwicklung digitaler Kompetenzen bei Lehrpersonen und Schülern.
Durchgeführt wurde der zweitägige Workshop im Rahmen der Jahreskonferenz 2019 von educationsuisse. Gestartet sind wir mit einem Impuls zum Thema Digitale Transformation und den Implikationen für Bildungsdienstleister allgemein. Stichworte hierzu waren u.a. immersive und personalisierte Lernumgebungen, veränderte Ansprüche an die User Experience in Lernumgebungen, datenbasierte Bildungsdienstleistungen und die zu erwartenden Veränderungen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Workshop: Visualisierung von Geschäftsmodellen und Ansatzpunkte für Weiterentwicklungen
Anschliessend haben wir uns dem Konzept “Geschäftsmodell” und der Arbeitshilfe “Business Model Canvas” weiter angenähert. Die Teilnehmenden Schulleitungen und Schulvorstände hatten dazu bereits im Vorfeld Auszüge aus dem Buch “Business Model Generation” von Osterwalder und Pigneur bearbeitet. Jetzt wurden zunächst vier befüllte Tableaus von verschiedenen Typen internationaler Schulen vorgestellt: Collège du Léman, Swiss International Scientific School Dubai, Hochalpines Institut Ftan und schliesslich Collegio Suizo de Santiago de Chile.
Im Anschluss begann der eigentliche Workshop. Hier erarbeiteten die Vertreter der Schulen in regional gegliederten Gruppen sowohl allein als auch gemeinsam den aktuellen Stand ihres jeweiligen Geschäftsmodells auf der Basis des Business Model Canvas. Eine Reflexion der Erfahrungen in der Arbeit mit diesem Instrument rundete den ersten Tag ab.
Am zweiten Tag stand dann die Entwicklung eines Zukunftsbilds im Mittelpunkt. Ausgangspunkte hierfür waren zunächst eine Reflexion der relevanten Kontexte, in denen die Bildungsdienstleister stehen (übergreifende gesellschaftliche Trends, makroökonomische Kräfte, Branchenentwicklung und Marktkräfte). Danach die Frage, welche Ausgangspunkte für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells prioritär sind: beispielsweise Veränderungen bei Kostenstrukturen und Einnahmequellen; Veränderungen bei den Kundenbedürfnissen; oder Veränderungen bei den verfügbaren Partnern und Ressourcen.
Die Vertreter der teilnehmenden Schulen haben im Rahmen dieses Workshops zahlreiche Ideen und Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Geschäftsmodelle entwickelt. Diese gilt es jetzt zu priorisieren und Möglichkeiten der Umsetzung zu explorieren. Der Geschäftsstelle des Verbands kommt hierbei eine wichtige Rolle zu (Moderation und Unterstützung des weiteren Austauschs bzw. Abgleichs untereinander).
Hier ein Zusammenschnitt der Folien, die ich bei diesem Workshop eingesetzt habe:
Justieren von Geschäftsmodellen als Daueraufgabe in einem digitalisierten Bildungsmarkt
Den Abschluss der Jahreskonferenz bildete eine offlizielle Veranstaltung im Kantonsparlament des Gastgeber-Kantons Luzern. Im Rahmen dieser Veransaltung hatte ich die Möglichkeit, die Arbeit im Workshop und die Arbeitsergebnisse kurz vorzustellen. Und ich konnte einen mir wichtigen Gedanken platzieren.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung von Bildungsdienstleistungen (Lernmedien, Lernplattformen, datenbasierte Leistungsprozesse, etc.) können Bildungsorganisationen Anpassungen beim eigenen Geschäftsmodell zunehmend einfacher und schneller vorzunehmen. Ein neuer Partner oder eine zusätzliche Ressourcensammlung soll eingebunden werden? Auf der Basis von Cloud-basierten Infrastrukturen mit standardisierten Schnittstellen (Rest-API) ist dies schneller und einfacher möglich als je zuvor. Eine neue Kundengruppe soll adressiert und mit (neuen) Leistungen versorgt werden? Auch dies ist auf der Grundlage von digitalen Infrastrukturen und digitalen Lernressourcen einfacher als zuvor möglich. Bildungsanbieter wie Coursera machen dies vor. So hat Dhawal Shah in einer Analyse der Geschäftsmodell-Entwicklung bei Coursera (Shah 2019) aufgezeigt, dass in den letzten sieben Jahren kaum ein Quartal verging, in dem Coursera nicht eine oder mehrere Neuerungen in seinem Geschäftsmodell erprobt (und zum Teil auch wieder verworfen) hat (vgl. die folgende Abbildung).
Die Arbeit am Geschäftsmodell wird für Bildungsdienstleister zunehmend zu einer Daueraufgabe. Ein zunehmend dynamischeres Marktumfeld macht die kontinuierliche Beobachtungen der Mitbewerber und entsprechende Anpassungen erforderlich. Diese Anpassungen sind leichter und schneller möglich als je zuvor.
Referenzen:
Dhawal Shah: Coursera’s Monetization Journey: From 0 to $100+ Million in Revenue, Class Central Blog, June 22nd, 2019.
Osterwalder, Alexander; Pigneur, Yves (2011): Business Model Generation. Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. 1. Aufl. Frankfurt am Main u.a.: Campus Verlag.
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